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Blutverteilung ist im Gange

Mi, 14.5.2003, Jazzkeller, 21:00

Klicken für großes Bild von Harald Effenberg
Jazz und Lyrik

Warum wird beim Happy-End im Film jewöhnlich abgeblendt?, fragt Tucholsky - weil, wenn es weiterginge, die ganze Erbärmlichkeit des Lebens sichtbar würde. Seitensprünge. Routine. Frust. Disharmonie. Grauer Alltag. Langeweile. Älterwerden. Krankheiten. Tod. Eben das, was in der Wirklichkeit auf das Happy-End folgt.

Was die Glitzerwelt ausklammert, wird in der Blutverteilung ausdrücklich aufgeschlagen. Vergänglichkeit, Verfall, die Endlichkeit des Seins. Der Tod als passive Fortsetzung des Lebens. Spätestens jetzt erwartet der Hörer Pathos & Tristesse. Doch nichts davon. Die Harmonie von Text & Musik benutzt Wörter & Töne, die an Sonette erinnern, Laute mit denen man für gewöhnlich die Sehnsucht nach einem lieblichen, unerreichbaren Frauenkörper beschreibt. Anlässe, die der Mensch zu verdrängen pflegt, werden zu fast tänzerischen Liebesoden.

Zu viel gelitten und zu viel gewusst, heißt es an einer Stelle. Aber der Umkehrschluss funktioniert noch viel weniger. Nichts gewusst & trotzdem gelitten ist eine Zumutung. Und nichts gewusst & nie gelitten wäre das Bekenntnis, am Leben nicht teilgenommen zu haben.

Dichter üben sich in der Ironie des Schreckens, baden in den Abgründen ihrer dunklen Seiten, schwelgen lustvoll im makaberen Schlamm ihrer Fantasie. Baudelaires euphemistische Beschreibung eines Stücks Aas, das am Wegesrand fault, ist eine glänzende Miniatur poetischer Verklärung. Der Mensch ist schlecht... Ihr sollt nicht gut sein, sondern vernünftig, sagt Kästner. Und der Tod ist vernünftig. Hör zu, raunt Gottfried Benn, so wird der letzte Abend sein, wo Du noch ausgehen kannst!.

Und die Trompete spielt dazu, als werde es ein ganz besonders schöner Abend.

Weitere Informationen unter: www.blutverteilung.de.